BUND Landesverband
Baden-Württemberg

Mobilitätspass: „Städte könnten mit der Abgabe Millionenbeträge einnehmen“

24. April 2024 | Mobilität, Verkehr (BW), Kommunalpolitik (BW), Umweltpolitik (BW), BUND Baden-Württemberg (BW)

BUND-Interviewreihe zur Kommunalwahl

Bastian Greiner, Referent für Mobilität und Raumordnung Bastian Greiner, Referent für Mobilität und Raumordnung  (Dominic Hahn / BUND BW)

Am 9. Juni ist Kommunalwahl. Sie ist entscheidend für den Umwelt- und Naturschutz. Denn die gewählten Vertreterinnen und Vertreter können viele Weichen stellen ‒ etwa in Sachen Mobilitätswende: Mit dem Mobilitätspass, einer Art Nahverkehrsabgabe, könnten Kommunen in Zukunft den Nahverkehr besser finanzieren. Bastian Greiner, Mobilitätsreferent beim BUND Baden-Württemberg, verfolgt die Diskussion rund um den Mobilitätspass. Ein Gespräch über die Mobilität der Zukunft und was Kommunen beim Einführen einer Nahverkehrsabgabe gewinnen könnten.

Es gibt vier mögliche Varianten für eine Nahverkehrsabgabe: Jeder Einwohner zahlt, Arbeitgeber zahlen, nur Autohalter zahlen oder eine Citymaut – sprich jeder, der in die Stadt reinfährt, zahlt. Welche finden Sie am besten?

Bastian Greiner: Das lässt sich nicht pauschal sagen. Die Pilotstudie des Landes hat ergeben, dass sich im ländlichen Raum eine Abgabe pro Einwohnenden finanziell am meisten lohnen würde. Für größere Städte wären es der Arbeitgeberbeitrag oder eine Abgabe für Autohalterinnen und -halter. Ich persönlich denke, ein Arbeitgeberbeitrag wäre am einfachsten durchzusetzen, weil Privatpersonen nichts bezahlen müssten und die Akzeptanz somit am höchsten wäre.

Hat der Mobilitätspass für Privatpersonen auch einen Vorteil oder kostet er nur Geld?

Es ist ein zentraler Aspekt, dass ich für meine Abgabe auch etwas zurückbekomme, und zwar ein Mobilitätsguthaben in gleicher Höhe. Das kann ich einsetzen, um Zeitfahrkarten zu kaufen ‒ zum Beispiel eine Monatskarte oder das Deutschlandticket.

Und um was für Beträge geht es bei der Abgabe?

Es wird von geringen Beträgen ausgegangen. Noch ist der Mobilitätspass nicht eingeführt, aber man hat es einmal mit Beiträgen von 10 Euro pro Person im Monat durchgespielt. Der finanzielle Aufwand hält sich wirklich in Grenzen. Aber mit diesem geringen Beitrag kann schon sehr viel erreicht werden. In Summe würden so Millionenbeträge zusammenkommen als zusätzliche Finanzspritze für den ÖPNV-Ausbau. Über eine Citymaut könnten Großstädte zum Beispiel zwischen 24 und 27 Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Mit dem Arbeitgeberbeitrag kämen sie auf Beträge zwischen 13 und 52 Millionen Euro. Landkreise könnten weniger aber immer noch mittlere zweistellige Millionenbeträge einnehmen.

Wovon hängt ab, ob der Mobilitätspass in Baden-Württemberg kommt?

Das hängt davon ab, wann und in welcher Form das Landesmobilitätsgesetz als Gesetzesgrundlage verabschiedet wird. Dafür liegt schon seit rund einem Jahr ein Entwurf vor. Er befindet sich aber nach wie vor in der Abstimmung zwischen den Koalitionspartnern der Landesregierung. Ich bin aber recht zuversichtlich, dass er kommt. Der Mobilitätspass ist im Koalitionsvertrag, in der ÖPNV-Strategie 2030 und im zukünftigen Landeskonzept Mobilität und Klima verankert. Das dürfte hoffentlich Verpflichtung genug sein für die Landesregierung.

Und inwiefern spielt der Mobilitätspass bei der Kommunalwahl eine Rolle?

Sobald eine Gesetzesgrundlage da ist, ist es eine kommunale Angelegenheit. Alle Kommunen mit mehr als 20.000 Einwohnenden können den Pass dann freiwillig einführen. Die Kommunen können also selbst entscheiden, ob sie ihn einführen wollen und welche Variante für sie am günstigsten ist. Je nachdem welche Kandidatinnen und Kandidaten ich bei der Kommunalwahl wähle, ist es wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher, dass sie sich später für einen Mobilitätspass in ihrer Kommune einsetzen.

Werden Kommunen, die einen Mobilitätspass einführen wollen, auf Gegenwind stoßen?

Ich denke schon. Wir als Verband kritisieren die Freiwilligkeit. Wenn eine Kommune einen Mobilitätspass einführt, die Nachbarkommune aber nicht, könnte sie Nachteile haben. Unternehmen könnten zum Beispiel eher die Kommune ohne Arbeitgeber-Abgabe als Standort wählen. Besser wäre eine einheitliche und für alle Kommunen verpflichtende Regelung. Ein gut finanzierter ÖPNV ist schließlich kein nice to have, sondern unverzichtbarer Bestandteil der Mobilitätswende!

Was können wir gewinnen, wenn der Mobilitätspass kommt?

Wir haben eine neue Finanzierungsoption für den ÖPNV, die ganz wichtig ist. Wir brauchen dringend mehr Mittel für den Nahverkehr, damit er attraktiv ist und Baden-Württemberg die Klimaziele wie die Verdopplung der Fahrgastzahlen erreicht.

 

Hintergrund: Mobilitätspass

Der Mobilitätspass ist eine in Baden-Württemberg geplante Nahverkehrsabgabe, die Kommunen Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs einbringen soll. Es gibt vier mögliche Varianten, die sich darin unterscheiden, ob alle Einwohnenden, nur Autohalter*innen oder Arbeitgeber*innen die Abgabe bezahlen müssen. Im Gegenzug bekommen Bürger*innen ein Guthaben in gleicher Höhe für den Kauf von Zeitkarten im Nahverkehr (z.B. Monatsfahrkarten). Die Landesregierung sieht vor, dass jede Kommune selbst entscheiden kann, ob sie einen Mobilitätspass einführen will. Noch fehlt für den Mobilitätspass die gesetzliche Grundlage.

 

Kontakt für Rückfragen:

  • Bastian Greiner, Referent für Mobilität und Raumordnung beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Baden-Württemberg, 0711 620306-30, bastian.greiner(at)bund.net
  • Ansprechpartner in Ihrer Region: Wir vermitteln gerne Ansprechpartner, die sich zum Mobilitätspass in Ihrer Region äußern können.

 

Mehr Informationen:

 

Mehr aus unserer Reihe zur Kommunalwahl:

  • Biodiversität in der Kommune (KW18)
  • Kommunale Wärmeplanung (KW 19)
  • Agrarwende in der Kommune (KW 20)
  • Flächenschutz in der Kommune (KW 21)
  • Waldwirtschaft in der Kommune (KW 22)

 

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